von Hanno Müller
Vortrag gehalten auf dem Genealogen-Stammtisch am 16.11.1999
Liebe Anwesende,
bei Ihrer Arbeit in den Kirchenbüchern werden Sie sicherlich schon ab und an auf Einträge gestoßen sein, bei denen die Pfarrer die Sonntage des Kirchenjahres als Datum angaben.
Früher habe ich diese Angaben meist so übernommen; es ist aber umständlich, wenn man z. B. eine Sterbealterangabe zurückrechnen muß und mit einem derartigen Taufdatum vergleichen will. In meinen letzten Familienbüchern habe ich diese Angaben teilweise, in Kirchberg jetzt vollständig, umgewandelt. Es ist (leider) ein Verlust an historischer Qualität, aber es läßt sich dann halt besser arbeiten.
Zur Umwandlung der Kirchensonntage in normale Datumsangaben benutze ich einen Dauerkalender nach Dr. Dolarius aus dem Verlag Degener, den ich von unserem verstorbenen Ehrenmitglied Otto Stumpf übernommen habe. Man sucht sich in einer Tabelle das Datum des Ostersonntags des entsprechenden Jahres, legt die Maske mit den Kirchensonntagen usw. an und kann dann das Datum ablesen.
Auf dem Konzil von Nicäa 325 n. Chr. wurde das Osterfest auf den ersten Sonntag nach dem Vollmond nach der Frühlingstagundnachtgleiche festgelegt. Im Jahr 325 war die Frühlingstagundnachtgleiche am 21. März. Da die damals angenommene Jahreslänge von 365,25 Tage etwas zu lang ist gegenüber der wirklichen Jahreslänge von 365,2422 Tagen, verschob sich im Laufe der Zeit die Frühlingstagundnachtgleiche nach vorne im Kalender. Dies wurde am 13. Und 14. Jahrhundert von den Gelehrten bei der Bestimmung des Osterdatums bemerkt. Das Konzil von Konstanz beschloß 1414 eine Reform des Kalenders. Diese wurde aber erst viel später (1577) erarbeitet und 1582 von Papst Gregor VII. durchgeführt. Seit dieser Zeit haben wir also einen alten (julianischen) und einen neuen (gregorianischen) Kalender. Gegenüber Cäsars Zeiten (er führte den julianischen Kalender 46 v. Chr. ein) war die Frühlingstagundnachtgleiche um 13 Tage vom 24. März (46 v. Chr.) auf den 11. März (1582) vorgerückt. Zur Kalenderangleichung wurde aber der zur Zeit des Konzils von Nicäa gültige 21. März als Frühlingstagundnachtgleiche festgelegt. Also mußten 10 Tage ausfallen. Auf den 4. Oktober 1582 folgte unmittelbar der 15. Oktober 1582. Für die folgende Zeit wurde festgelegt, daß in 400 Jahren 3 Schalttage ausfallen sollen und zwar zum vollen Jahrhundert, wenn dieses nicht durch 400 teilbar ist. Bisher war dies in den Jahren 1700, 1800 und 1900 der Fall, sie waren keine Schaltjahre, das Jahr 2000 wird aber ein Schaltjahr sein.
Der gregorianische Kalender wurde unmittelbar nur in Italien, Spanien und Portugal eingeführt. Etwas später folgten Frankreich und die katholischen Teile von Deutschland (1583), der Niederlande und der Schweiz, weiterhin Polen (1586) und Ungarn (1587).
Wichtig für uns ist nun, daß die evangelischen Teile des deutschen Reiches (aber auch nicht alle einheitlich) den „verbesserten“ Kalender erst im Jahre 1700 annahmen. Auf den 18. Februar 1700 folgte damals unmittelbar der 1. März 1700. Für diesen Zeitraum dürfte es also keine Kirchenbucheinträge geben. Im zweiten Kirchenbuch von Trais-Horloff fand ich die folgende einleitende Überschrift:
„Anno MDCC auf das Jahr nach Christi Geburth des Neu-verbesserten Calenders in diesem angefangen Secula des 1700. Jahres, …“
Im neunten Kirchenbuch Kirchbergs findet sich ein ebenfalls mit der Kalenderreform in Zusammenhang stehendes Schreiben, das ich ihnen (teilweise) photokopiert 1fügen wir hier nicht bei und abgeschrieben habe 2KB Kirchberg Nr. 9 (1740.1767) Notabilien S. 18a
„Conclusum in conferentio Evangelicorum d. 30. Jan. 1723 die Osterfeyer ao 1724 betr.
Demnach bey der zu Ende des abgewichenen Seculi vorgewesenen Calender Verbesserung vermöge eines bey dem corpore Evangelicorum unterm 23. Sept 1699 einmüthig ausgefallenen Schlusses beliebet worden, daß künftighin die Osterfest-Rechnung weder nach dem im Julianischen Calender angenommenen Dionysianischen, vielweniger Gregrionischen Cyclo, sondern nach dem Calculo Astronomico /: wie ehemals zu Zeiten des concilii Nicaeni geschehen :/ gemacht werden soll, darbenebens alleseits Mathematicis Evangelicis anbefohlen worden, die bißhero fast duchgehends gebrauchte Rudolphinische Tabulas Kepleri zum Calculo der Ephemeridum und besonders zum computo des Ostervollmondes zu behalten, und nach demselben praeceptis ad Meridianum Norimbergicum das Tempus aequinoctii vernalis und dann den wahren Ostervollmond in Tag und Stunde und Minuten zu berechnen, und dann sich gezeigt, daß vom Anfang dieses Seculi biß auf jetzt laufendes 1723 Jahr inclusive wegen Bestimmung des Osterfestes so wohl nach der accuraten Astronomischen, als nach der Gregorianischen Cyclischen Rechnung sich keine Differenz zu getragen; hingegen nunmehr von der Königl. Preuss. Societaet der Wissenschaften zu Berlin, auch von verschiedenen andern erfahrenen Evangl. Mathematicis die gleichlautende und glaubwürde Anzeige geschehen, daß im bevorstehenden 1724ten Jahr das aequinoctium vernale nach dem Accuraten Calculo Astronomico auf den 20. Martii und der nächst darauf folgende Vollmond auf den 8. April einfalle, welches der rechte Ostervollmond gemeldten Jahres 1724 wäre, müßte also der 9. April, weil der vorhergende 8te April ein Sonnabend seye, vor den rechten Ostertag gehalten werden; der Gregorianische Computus Cyclicus aber sezte das plenibunium paschala nach unrichtiger Rechnung auf den 9ten April, und weil dieses ein Sontag, das Osterfest auf den 16. April, also 8 Tage später hinaus, dergleichen Differenz auch in diesem laufenden Seculo Ao 1744,1778 u. 1798 sich begeben werde, darbeneben auch noch, daß in denen jetzt bemeldten 2 lezten Jahren, nemlich 1778 und 1798 der Ostertag des verbesserten Calenders mit den Ostern der Juden auf einen Tag eintreffe, welches jedoch das concilium Nicaenum sorgfältig vermieden wissen wollen: Als ist von Seiten des Evangl. Corporis einmüthig beschlossen worden
I. daß man hinführo auf denen eingangs berührten Conclusis des corporis Evangelicorum fest zu bestehen, folglich
II. allen im H. Römischen Reich befindlichen Evangelischen Calender-Schreiber, Druckern und Verlegern zu bedeuten habe, daß sie es bey der bißher gebrauchten Form des verbesserten Calenders fürohin bewenden lassen vorneml. Im nächstkommenden Jahr 1724 das Osterfest auf den 9. April ansetzen und alle bewegl. Feste durchs ganz Jahr darnach anrichten, und
III. in folgenden jahren, es möge zwischen dem verbesserten und gregorianischen Calender sich eine Osterdifferenz zeigen oder nicht, jedesmahl nach mehr berührtem Calculo Astronomico, die Ostern mit den darnach einzurichtenden bewegl. Festen dem verbesserten Calender zu inserieren; auch
IV. Nach dem Schluß des concilii Nicaeni die Ostern 8 Tage weiter hinaus setzen sollen, wann sie mit der Judenzeit einfallen sollte.
V. wäre dieses den letzten Sontag vor Advent in allen Evangel. Landen anzuzeigen von allen Canzeln.“.
Dieses Schreiben hatte zum Inhalt eine Änderung der Osterdaten der Jahre 1724 und 1744. Die Änderungen sind auch in dem Dauerkalender von Dr. Dolarius nicht berücksichtigt. Die Änderung des Osterdatums für das Jahr 1744 kann man mit einem Geburtseintrag aus dem neunten Kirchenbuch von Kirchberg (1740-1767) veranschaulichen:
„Getaufte Töchter 1744
4. Maria Dorothea, Joh. Henrich Mooßen zu Rutt. T. geb. Dom. Invocavit und getauft den 19. Febr. Taufz. Nicolauß Mooß, Joh. Gerhard Mooßen Sohn zu Rutt. und Maria Dorothea, Joh. Georg Karbe T.“
Nach der Gregorianischen Ostertabelle fiel 1744 der Ostersonntag auf den 5. April, Invocavit wäre dann der 22. Februar gewesen: also müßte Maria Dorothea Mooß vor ihrer Geburt getauft worden sein, das geht nicht. Das erwähnte Schreiben belegt aber, daß der Ostersonntag des Jahres 1744 gegenüber der gregorianischen Ostertabelle um eine Woche auf den 29. März vorverlegt wurde, Maria Dorothea wurde also am 15. Februar geboren und am 19. getauft.
Ich besitze kein Computerprogramm zu Umwandlung von Kirchensonntagsangaben in normale Datumsangaben, ich konnte aber feststellen, daß die Umwandlung nicht in jedem Programm exakt durchgeführt wird. Die Programme müßten für unseren protestantischen Raum bis 1699 den julianischen und ab 1700 (mit den Änderung 1724 und 1744) den gregorianischen Kalender benutzen. Das tun sie aber nicht, sondern sie benutzen den gregorianischen Kalender ab 1582. Hierdurch treten kleinere Fehler auf, wozu ich ein Beispiel anführen möchte:
Der Vorfahr mancher Zeitgenossen und auch der schwedischen Königin Silvia namens Johann Henrich Sommerlad wurde an Invocavit 1653 in Kirchberg getauft, als Taufdatum wird in einer Veröffentlichung der 2. März angegeben. Dem liegt als Ostersonntag der 13. April nach der gregorianischen Ostertabelle zugrunde. Die Angabe ist aber nicht ganz richtig, denn bis 1699 galt bei uns der julianische Kalender, Ostersonntag 1653 war danach der 10 April und Henrich Sommerlad wurde somit schon am 27. Februar 1653 getauft.
Ich habe ihnen die julianische und die gregorianische Ostertabelle und das Schreiben aus dem Kirchberger Kirchenbuch (teilweise) photokopiert 3aus Gründen des Urheberrechts hier nicht abgebildet, ob man die Verschiebung des Jahres 1724 auch im Kirchenbuch feststellen kann, werde ich noch überprüfen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Quellen:
KB Kirchberg = Kirchenarchiv der evangelischen Kirchengemeinde Kirchberg
Literatur:
Dauerkalender vom Jahre 532 bis zum Jahre 2099 Nach Dr. Dolarius. Neubearbeitung von Herbert Denecke:; Neustadt (Aisch) 1983
- 1fügen wir hier nicht bei
- 2KB Kirchberg Nr. 9 (1740.1767) Notabilien S. 18a
„Conclusum in conferentio Evangelicorum d. 30. Jan. 1723 die Osterfeyer ao 1724 betr.
Demnach bey der zu Ende des abgewichenen Seculi vorgewesenen Calender Verbesserung vermöge eines bey dem corpore Evangelicorum unterm 23. Sept 1699 einmüthig ausgefallenen Schlusses beliebet worden, daß künftighin die Osterfest-Rechnung weder nach dem im Julianischen Calender angenommenen Dionysianischen, vielweniger Gregrionischen Cyclo, sondern nach dem Calculo Astronomico /: wie ehemals zu Zeiten des concilii Nicaeni geschehen :/ gemacht werden soll, darbenebens alleseits Mathematicis Evangelicis anbefohlen worden, die bißhero fast duchgehends gebrauchte Rudolphinische Tabulas Kepleri zum Calculo der Ephemeridum und besonders zum computo des Ostervollmondes zu behalten, und nach demselben praeceptis ad Meridianum Norimbergicum das Tempus aequinoctii vernalis und dann den wahren Ostervollmond in Tag und Stunde und Minuten zu berechnen, und dann sich gezeigt, daß vom Anfang dieses Seculi biß auf jetzt laufendes 1723 Jahr inclusive wegen Bestimmung des Osterfestes so wohl nach der accuraten Astronomischen, als nach der Gregorianischen Cyclischen Rechnung sich keine Differenz zu getragen; hingegen nunmehr von der Königl. Preuss. Societaet der Wissenschaften zu Berlin, auch von verschiedenen andern erfahrenen Evangl. Mathematicis die gleichlautende und glaubwürde Anzeige geschehen, daß im bevorstehenden 1724ten Jahr das aequinoctium vernale nach dem Accuraten Calculo Astronomico auf den 20. Martii und der nächst darauf folgende Vollmond auf den 8. April einfalle, welches der rechte Ostervollmond gemeldten Jahres 1724 wäre, müßte also der 9. April, weil der vorhergende 8te April ein Sonnabend seye, vor den rechten Ostertag gehalten werden; der Gregorianische Computus Cyclicus aber sezte das plenibunium paschala nach unrichtiger Rechnung auf den 9ten April, und weil dieses ein Sontag, das Osterfest auf den 16. April, also 8 Tage später hinaus, dergleichen Differenz auch in diesem laufenden Seculo Ao 1744,1778 u. 1798 sich begeben werde, darbeneben auch noch, daß in denen jetzt bemeldten 2 lezten Jahren, nemlich 1778 und 1798 der Ostertag des verbesserten Calenders mit den Ostern der Juden auf einen Tag eintreffe, welches jedoch das concilium Nicaenum sorgfältig vermieden wissen wollen: Als ist von Seiten des Evangl. Corporis einmüthig beschlossen worden
I. daß man hinführo auf denen eingangs berührten Conclusis des corporis Evangelicorum fest zu bestehen, folglich
II. allen im H. Römischen Reich befindlichen Evangelischen Calender-Schreiber, Druckern und Verlegern zu bedeuten habe, daß sie es bey der bißher gebrauchten Form des verbesserten Calenders fürohin bewenden lassen vorneml. Im nächstkommenden Jahr 1724 das Osterfest auf den 9. April ansetzen und alle bewegl. Feste durchs ganz Jahr darnach anrichten, und
III. in folgenden jahren, es möge zwischen dem verbesserten und gregorianischen Calender sich eine Osterdifferenz zeigen oder nicht, jedesmahl nach mehr berührtem Calculo Astronomico, die Ostern mit den darnach einzurichtenden bewegl. Festen dem verbesserten Calender zu inserieren; auch
IV. Nach dem Schluß des concilii Nicaeni die Ostern 8 Tage weiter hinaus setzen sollen, wann sie mit der Judenzeit einfallen sollte.
V. wäre dieses den letzten Sontag vor Advent in allen Evangel. Landen anzuzeigen von allen Canzeln.“ - 3aus Gründen des Urheberrechts hier nicht abgebildet