Beuern zur Zeit der Französischen Revolution
– Beuern am Ende des 18. Jahrhunderts – 1Erstdruck: 800 Jahre Beuern, S. 17-42 – hier gekürzt
Der Ort
Beuern war klein. Es hatte damals schätzungsweise 550 Personen in 160 Haushalten.
Zum Vergleich ein Auszug aus einem Verzeichnis des Jahres 1791, in dem die Einwohner der Ortschaften des Oberfürstentum Gießen angegeben werden: Lollar (522), Ruttershausen mit Kirchberg (299), Staufenberg (496), Mainzlar (412), Daubringen (302), Wieseck (1070) und Trohe (126).
Beuern finden wir in diesem Verzeichnis nicht. Es gehörte zum Busecker Tal, einer kleinen Enklave im Oberfürstentum Gießen. Trohe allerdings, obwohl inmitten des Busecker Tales gelegen, gehörte verwaltungsmäßig nicht zum Busecker Tal und ist somit im Verzeichnis zu finden.
Viele Straßen, die wir heute zum alten Ortskern zählen, hat es damals noch nicht gegeben. Die Borngasse ist wahrscheinlich bis zur Einmündung Hintergasse bebaut gewesen. Die Hintergasse selber ist auf der Seite zur Kirche hin komplett, auf der anderen Straßenseite wohl nur in der unteren Hälfte bebaut gewesen. Die obere Hälfte war ein Adelsgehöft. Die Untergasse war ungefähr ab der Einmündung Bersröder Weg bis knapp hinter der Dorfmühle bebaut. Die Bachgasse bestand schon, in der Metzengasse standen kleine Häuser und ein Adelshof.
Die Zeit
Im 18. Jahrhundert folgt ein Krieg dem anderen. Der Bevölkerung wurden jeweils nur wenige Jahre Pause gegönnt. Beuern ist in all diesen Kriegen von Einquartierungen, Abgaben von Nahrungsmittel für Mensch und Tier, Plünderungen und Repressalien betroffen gewesen.
In der zu betrachtenden Zeitspanne von 4 bis 5 Jahren, stellt sich die Situation für Beuern folgendermaßen dar: obwohl Preußen im Mai 1795 aufgrund des Baseler Friedens aus dem Krieg ausgeschieden ist, ist der Krieg für Beuern noch nicht zu Ende. Die Regierung in Hessen-Darmstadt hat sich entschieden weiterhin gegen Frankreich zu kämpfen. So ist Beuern, obwohl am Rande des Kriegsschauplatzes gelegen, doch mitten im Kriegsgeschehen gewesen.
Auch nach der Niederlage Österreichs im Jahre 1797 ist unsere Gegend von den Franzosen besetzt geblieben. Erst am 19. Dezember 1798, morgens um ½ 6 Uhr, verließen die Franzosen Gießen.
Endlich frei von französischer Besatzung, hat die Gemeinde Beuern ein Verzeichniß aller an die Franzoßen von der Gemeinde Beuern abgegebenen Bedürfnißen, Vorstandsfuhren Erpreßungen pp. vom 23. September 1795 biß Januar 1799. sodann die Austheilung dieser Kriegskosten nach dem adelichen und freyen, deßgl. dem Contribuablen bäuerlichen Steuerkapital erstellt.
Die Kriegskosten für Beuern belaufen sich darin auf die die gewaltige Summe von 24.608 Gulden.
Wie erlebte Beuern diese Zeit, und wie entstanden diese Kosten?
Eine Chronik der Ereignisse in Beuern liegt uns leider nicht vor. Wir müssen uns die Geschehnisse über die aus Gießen bekannten Überlieferungen erschließen.
Gießen war zu dieser Zeit nicht groß. Die Einwohnerzahl dürfte im Jahre 1796 zwischen 4500 und 5000 Einwohner gelegen haben.
Die Stadt machte einen erbärmlichen Eindruck. Schon in den 1770er Jahren wurde sie folgendermaßen beschrieben: Gießen ist ein kleines Städtchen, in welchem man kein Dutzend recht schöner und moderner Häuser findet. Auf den Gassen ist Schmutz. Die Misthaufen liegen vor den Häusern. Keine Straße ist gerade.“ an anderer Stelle schreibt das Gießener Wochenblatt 1770: … die Gassen sind schmutzig und verfahren, die Häuser klein und häßlich, überall sind Scheunen, Ställe und offene Misthaufen zu finden. Die Umgegend ist versumpft, die Wälder verwüstet, die Felder und Gärten in schlechtestem Zustand, der Gottesacker eine Wüstenei und von beinahe undurchdringlichem Unkraut bedeckt. Ist es ein Wunder, daß Fremde sich da nicht aufhalten wollen und daß Gießen auswärts als ungesund verrufen ist?
Beuern sah zu dieser Zeit bestimmt nicht besser aus.
Das Jahr 1796 wird als das schlimmste für den hiesigen Raum geschildert. Als am 7. Juli die Österreicher nachts Gießen verlassen und die Franzosen einziehen, mussten quasi über Nacht diese Soldaten mit Lebensmitteln für Mensch und Tier versorgt werden.
Ein Augenzeuge schildert dies so: nun aber fiengen unverzüglich die Requisitionen an, wie sich das, dem Gebrauch des jetzigen Krieges gemäs, erwarten ließ. Es wurde eine nahmhafte Quantität an Haber, Heu, Brod, Fleisch, Brandwein, Wein, Hufeisen, Nägeln, Fuhren, überdieses alles noch Landkarten, Tuch zu verschiedenen Mänteln, feine Leinwand zu Hemden, Schuhe, Stiefel, zehn Stück Pferde für die Artillerie und Officiere, viele Dutzend Halstücher, Schnupftücher u.s.w. verlangt. Es war eine Kommission gebildet worden, die sich um solche Forderungen zu kümmern hatte. Hierzu berichtet der Augenzeuge: die Commission hatte nun alle Hände voll zu thun die Requisitionen beyzutreiben. Die Menge des zu liefernden Brodes, die Fuhren und die zehn Stück Pferde setzten sie in die meiste verlegenheit. Zu den ersten wurden daher von der Regierung, die benachbarten Aemter, besonders das Busecker Thal, die Rabenau und das Amt Grünberg aufgeboten.
Diese Aussage wird von unserer Kriegskostenabrechnung bestätigt. Dort heißt es zum 8. Juli 1796:
An die Armee nach Gießen geliefert: 3208 Pfund Brot a 4 xr
Ein doppelt Gespann an die Armee bey Gießen, so 4 Tage außgeblieben a 6 fl 30 xr
6 Vorspannsfuhren an die Französische Armee geben, so 12 Tage ausgeblieben
Eine Vorspannfuhr so damals 8 Tag in Gießen gelegen
2. desgl. so 13 Tage bey der Armee waren
5 Mann nach der Französische Armee geschickt und das Vieh u. Geschirr auszuforschen
Dem Wilhelm Stein vor 1 Pferd, Geschirr und Korn, so er in der Armee zurück lassen müssen 124 fl 4 xr
Philipp Hahn vor 1 paar Ochsen nebst Korn und Geschirr 156 fl 30 xr
Johannes Stein vor 1 Pferd u. Geschirr u. Korn 85 fl 35 xr
Henrich Caspar Bellof vor 1 Pferd u. Geschirr 28 fl 50 xr
Christoph Komp vor 1 paar Ochsen nebst Korn u. Geschirr 132 fl 40 xr
Johann Jacob Stein 2ter vor 1 Pferd, Geschirr u. Korn 109 fl
Diese Aussage wird von unserer Kriegskostenabrechnung bestätigt. Dort heißt es zum 8. Juli 1796:
An die Armee nach Gießen geliefert: 3208 Pfund Brot a 4 xr
Ein doppelt Gespann an die Armee bey Gießen, so 4 Tage außgeblieben a 6 fl 30 xr
6 Vorspannsfuhren an die Französische Armee geben, so 12 Tage ausgeblieben
Eine Vorspannfuhr so damals 8 Tag in Gießen gelegen
2. desgl. so 13 Tage bey der Armee waren
5 Mann nach der Französische Armee geschickt und das Vieh u. Geschirr auszuforschen
Dem Wilhelm Stein vor 1 Pferd, Geschirr und Korn, so er in der Armee zurück lassen müssen 124 fl 4 xr
Philipp Hahn vor 1 paar Ochsen nebst Korn und Geschirr 156 fl 30 xr
Johannes Stein vor 1 Pferd u. Geschirr u. Korn 85 fl 35 xr
Henrich Caspar Bellof vor 1 Pferd u. Geschirr 28 fl 50 xr
Christoph Komp vor 1 paar Ochsen nebst Korn u. Geschirr 132 fl 40 xr
Johann Jacob Stein 2ter vor 1 Pferd, Geschirr u. Korn 109 fl
Vor Ein zum Dienst der Franzosen gekauftes Pferd nebst Korn u. Geschirr 110 fl
Einen Knechts Lohn mit demselben Pferd zu fahren 20 fl
10 Geschirr Vorspann nach Gießen bey die Armee zu fahren so 2 Tag ausgeblieben
Was die Liste so nüchtern wiedergibt, war ein hektischer Tag in Beuern. 3208 Pfund Brot, das sind umgerechnet ungefähr 20 Pfund Brot pro Beuerner Haushalt. Diese Menge hatte keine Familie Zuhause liegen. Man räumte seine Speisekammer und musste zudem noch backen. Das Brot wurde damals nicht am heimischen Herd, sondern in Backhäusern gebacken. Die genaue Zahl der Backhäuser in Beuern zu dieser Zeit ist nicht bekannt. Mehr wie zwei werden es nicht gewesen sein.
Was haben da die Schornsteine geraucht!
Die Preise
Einen Eindruck vom Geldwert erhält man aus der obigen Aufzählung der geforderten Entschädigungen. Manch ein Wert erscheint utopisch, lag doch der Jahreslohn eines Polizisten bei ca. 50 Gulden. Was hat der Knecht aus Beuern getan, der 20 Gulden für das „Fahren“ eines Pferdes erhalten hat?
Ein großer Bedarf und die Verknappung von Rohstoffen hat naturgemäß eine Preissteigerung zufolge. Das war damals nicht anders als heute.
In der Tabelle findet man eine Gegenüberstellung der Preise aus dem Jahr 1792, als der Krieg begann, und dem Jahr 1976, dem Jahr, das für die Gießener Gegend als das schlimmste Kriegsjahr. bezeichnet wird
Die Preissteigerung ist deutlich zu sehen. Hier muss noch ein Bild hin!!
Unser Augenzeuge berichtet uns: die überdieses ausgebrochene Hornviehseuche vertheuerte Fleisch, Milch, Butter und Käse. – Jedes Getränke, den übertheuern Wein ausgenommen, fehlte oft gänzlich. – Die Obstbäume wurden beschädigt, oder ihrer halbreifen Früchte beraubt – Feld= und Garten=Gemüse genommen, oder verdorben.
Die Ernte war schlecht ausgefallen, dass Bestellen der Felder nur unter erschwerten Bedingungen möglich.
Durchziehende Armeen hinterlassen in der Regel eine zerstörte Landschaft. Die Arbeitskraft der Bauern konnte nur bedingt eingesetzt werden, wurde sie doch immer wieder zu Diensten der Armee gebraucht. Zudem konnte der enorme Sonderbedarf nicht aus dem normalen Anbau gedeckt werden, der oft nur für die Familie selber reichte.
Man sucht nach Ersatzlebensmittel.
So bringt das Gießener Intelligenzblatt bereits im November 1793 ein Verzeichnis derjenigen Pflanzen und Gewächse, welche den Menschen beim Mangel des Getreides, oder sonst auch zur Speise dienlich. Sie zählen folgende Gewächse auf: Veronica beccabunga (Bach- oder Wasserbunge), Valeriana Locusta (Ackerlattich), Bromus fecalinus (Trespe), Festuca fluitans (Schwaden oder Manna), Avena fatua (Gauch-, Flug- oder Taubhaber), Lolium annuum (Lulch-, Taub- oder Mäusekorn), Triticum repens (Quecken-, Hunde- oder Wurmgras), Primula veris (Schlüsselblumen), Campanulae (Glockenblumen Rapunzeln) und andere.
Hier wird über Quecken berichtet: kein Unkraut fällt dem Ackermann fast beschwerlicher als dieses: Je mehr die Saat abnimmt, desto stärker vermehrt sich jenes. Unter dem Pflügen sammlet man die Wurzeln zu Hause, welche hernach, wenn sie gereiniget, gewaschen, getrocknet, zerstoßen und zu Mehl gemacht worden, in der Theurung statt des Brods gebraucht werden können; Zur Glockenblume heißt es: davon kann man fast alle Gattungen zur Speise gebrauchen, sowol die Wurzel, ehe sie zu hart wird und in Stengel schiesset, als auch die Blätter, welche gegessen, und davon besonders die größte Gattung am meisten giebt. Man findet sie sehr stark wachsen an dem Fuß der Berge. Die Nutzbarkeit dieser Gewächse unter den Küchenkräutern ist bis daher noch unbekannt gewesen.
Die Nahrungsmittellieferungen in den Beuerner Abrechnungen bestehen zumeist aus Brot. Bei den Mundportionen an die Soldaten wird nicht erwähnt welche Lebensmittel man dazu verwendet hat. Es werden hohe Summen für Metzger und Juden abgerechnet, denen man Fleisch und Wurst bezahlte. Hier findet man auch Kosten für Weck und Weißbrot, Kaffee und Zucker. Vereinzelt stehen Hähne in der Lieferungsliste, sowie zwei Tauben. Sie gehören wohl zum Speiseplan der Offiziere. Diese wurden über 15 Wochen hinweg von einer Köchin bekocht, die die Gemeinde bezahlen musste. Was bei ihnen auf den Tisch kam, war weit entfernt vom Speisezettel der Dorfbevölkerung. Die Abrechnung listet uns für den Zeitraum vom 26. April bis 10. September 1797 folgende Lebensmittel auf:
Zwetsche, Citronen, Senf u. Zimt
desgl. Zwiebeln, Knoblauch, Rettig, Merrettig u. …
Baumöhl, 3 Maas Oil u. 142 Pfund Butter
Holländische und ordinaire Klöß
Eyer
Fisch, Krebs, Frösch u. Hering
93 Maas Milch
Essig u. Gewürz
4 Meste Salz
28 Pfund Reiß u. 4 Pfund Weißmehl
Bei den Zutaten handelt es sich nicht ausschließlich um Waren aus heimischer Produktion. Zitronen, Zimt, Hering, Reis und Salz mussten, wie auch an anderer Stelle aufgelistete Waren, über den Handel bezogen werden. Trotz der Kriegshandlungen hat der Handel mit Luxusgütern noch bis hinein ins kleinste Dorf funktioniert. Eine für mich erstaunliche Feststellung.
Das Gießener Intelligenzblatt erklärt seinen Lesern im Februar 1799 wie man Zitronen lagert, mit dem Zweck diese „wohlfeile“ Frucht im Wert zu erhalten. Demnach scheinen Zitronen in Gießen durchaus im Gebrauch gewesen zu sein. Wie teuer, solch exotische Waren damals waren, ließ sich leider nicht feststellen.
Leistungen
Wie oben erwähnt finden wir in der Abrechnung Mundportionen für die Soldaten. Daraus können wir ersehen, dass immer wieder, für längere Zeiträume, Soldaten in Beuern versorgt werden mussten. So lagerten über Weihnachten 1797 14 Tage lang 115 Mann Infanterie mit einer Marquedendersfrau u. 1 Kind, so dann 1 Knecht von der 92. Halbbrigade bei Beuern, die vom Dorf versorgt wurden. Aber auch einzeln durchziehende Truppen und Soldaten wurden von den Einwohnern verpflegt. Im Pfarrhaus wohnten Offiziere, sie wurden mindestens 33 Wochen lang mit Brennholz und Gutlichter versorgt.
Dies war für den Ort eine enorme Belastung.
Zusätzlich mussten die von den Truppen mitgeführten Pferde mit Masthafer, Heu und Stroh versorgt werden. Inwiefern die Bauern noch über eigenes Vieh verfügten ist unklar. Immer wieder versuchte die Armee Vieh aus dörflichen Beständen zu konfiszieren. Auch dabei mussten die Offiziere und Soldaten versorgt werden. Im Mai heißt es: ein Comands von 2 Officier und 7 Mann von den Kanoniers von Reißkirch waren 8 mal zur Visitation in Beuern, und haben verzehrt. So wurden am 5. Mai 1797 bei der Aushebung des Viehes 14 Maas Wein getrunken, eine Woche später gab es Bier und Branntwein.
Brennholz wurde an die Feldschmieden geliefert. Auch die Waschweiber der Truppen bekamen Holz. Den Waschweibern lieferte man auch Asche und Seife.
Das Gießener Intelligenzblatt dieser Zeit rügt die Hausfrauen wegen unnötigem Seifenverbrauch. Sparsame Frauen weichen die Wäsche mit Asche ein und benötigen dann zum Waschen nur noch wenig Seife für besonders verschmutzte Stellen, wie zum Beispiel Hemdkragen. Die Zeitung dieser Zeit liest sich über große Strecken wie die heutigen Wochenendbeilagen der heimischen Tageszeitungen.
Dennoch erhalten die Waschweiber die angeforderte Seife.
Ein Gefängnis musste unterhalten werden. Die Wachstube erhielt Papier, Federn, Tinte und Siegellack. Selbst ein Fell für die Trommel wurde den einquartierten Truppen bezahlt. Die Offiziere erhielten Puder, Pomade, Rauch- und Schnupftabak.
Die Männer des Dorfes wurden zum Transport des Gepäcks der Offiziere eingesetzt. Sie leisten Vorspannfuhren bis nach Mainz, Heu und Stroh wurde nach Gießen oder Reiskirchen gefahren. So manche Fuhre wurde zu weiter weg gelegenen Orten gefordert, Pferde mussten bis Homberg/Ohm überstellt werden. Verwundete und Kranke transportierte man nach Gießen, Allendorf und Reiskirchen. Auch als Briefboten wurden die Männer eingesetzt.
Leben
Krieg besteht nicht nur aus den schon geschilderten Belastungen. Die Bevölkerung hatte noch weit mehr zu ertragen.
Massen an Soldaten, die meist ohne rechte Aufsicht durch Offiziere in den Ortschaften weilten, haben sich entsprechend benommen. Übergriffe gegen die Bevölkerung, Konfiszierungen (ist es etwas anderes wie Raub und Diebstahl?), Schlägereien, Vergewaltigungen – alles war an der Tagesordnung. Schilderungen davon kann man in Augenzeugenberichten nachlesen.
An dieser Stelle möchte ich nicht weiter auf die Gräuel eines Krieges eingehen, nur anmerken, dass diese in den überlieferten Berichten aus Beuern keinen Niederschlag fanden. Es taucht erstaunlicherweise im Kirchenbuch Beuern für diesen Zeitraum nur ein nichteheliches Kind auf, als dessen Vater ein Franzose angegeben wird. Die Anzahl der verzeichneten nichtehelichen Geburten in diesem Zeitraum ist geringer als in anderen Jahren. Wir haben keine Sterbeeinträge für französische Soldaten. Selbst wenn diese in einem Militärverzeichnis eingetragen wurden, so fehlt vor Ort jeglicher Hinweis auf Bestattungen.
Die Zahl der Eheschließungen blieb während des Krieges konstant. Allerdings gab es keine Eheschließungen mit Soldaten. Sie hat es erst wieder mit dem Sommer 1798 gegeben.
Dies hat seinen Grund. Es war den Soldaten verboten ohne Genehmigung ihres Vorgesetzten zu heiraten oder sich zu verloben. Der Soldat hatte bei seinem Kommandanten um Genehmigung zur Eheschließung nachzusuchen. Dieser konnte nicht frei entscheiden ob er seinem Untergebenen die Genehmigung erteilte. Er war an Weisungen des Landgrafen gebunden, der strenge Vorgaben erlassen hatte.
So darauf zu achten: daß die künftige Wittwe und Kinder weder Unsern Cassen noch dem Publikum, durch Armuth, zur Last fallen können, und also, wegen deren künftigen Unterhalts, gleich Anfangs, die nöthige Bescheinigungen beigebracht, auch allenfalls Sicherheit geleistet werde. Ohne diese Unsere Einwilligung ist jedes solches Eheverlöbnis, wenn es auch an sich noch so verbindlich eingegangen, oder selbst eine Schwängerung erfolgt wäre, ungültig und ohne alle rechtliche Würkung: der Officier aber, welcher auf solche Art eine unbescholtene Frauensperson in eine nachtheilige Lage gesezt, oder wohl gar entehrt hat, soll dafür mit Arrest bestraft, und, nach Befinden, wenn besonders beschwerende Umstände eintreten, aus Unserm Dienst beabschiedet werden.
Der einfache Soldat, der diesem Verbot zuwiderhandelte, wurde aufgrund der Landgräflichen Verordnung mit 6-maligem Spießrutenlauf durch 200 Mann bestraft. Höhere Militärränge wurden für drei Monate degradiert. Bei besonders schweren Vergehen gegen diese Verordnung wurde der Soldat aus der Armee entlassen.
Die Verordnung besagte des weiteren, dass die Frau in ihrem Heimatort zu bleiben hatte. Sie musste über eigenes Vermögen verfügen, damit sie sich und ihre Kinder in Abwesenheit ihres Gatten selber ernähren konnte. Zudem musste sie in der Lage sein auch den Gatten mitzuernähren, wenn er auf Urlaub zuhause weilte.
Man hat sich vorgestellt, dass dies nur durch Bestellung des Landes möglich war. Das bedeutete, die Frau musste über Land verfügen. Sie brauchte nicht die Eigentümerin zu sein, es reichte wenn es ihr im Ehevertrag von Eltern oder Schwiegereltern zur Nutzung zur Verfügung gestellt wurde. Allein diese Bindung an Land im heimischen Wohnort hat einen Nachzug der Frau in die Garnison schon ausgeschlossen.
Dies war auch nicht erwünscht. Die Bestimmungen besagten, dass nur Frauen mit besonderen Fähigkeiten, die ihren Unterhalt selbst bestreiten konnten, in der Garnison leben durften. Zusätzlich war die Zahl der Waschweiber oder Näherinnen in einer Garnison auf 6 Frauen beschränkt. Ob waschen und nähen zu den besonderen Fähigkeiten gehörten?
Daraus erklären sich die öfter in Familienbüchern zu findenden zahlreichen vorehelichen Kinder, bei denen beim Vater die Berufsbezeichnung Soldat angegeben wird. Manche Paare hatten bereits mehrere gemeinsame Kinder, bevor sie nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst, heiraten konnten.
Die Gesamtkosten
Das Schlussblatt der Abrechnung gibt Auskunft über die Verteilung der Gesamtkosten des Zeitraumes September 1795 bis Januar 1799. Sie belaufen sich, wie Anfangs schon einmal erwähnt, auf insgesamt 24.608 Gulden.
Diese Kosten sind unter der Gemeinde und den Großgrundbesitzern geteilt worden. Grundlage war das Steuerkapital der Ländereien oder Einnahmen. Aufgeführt sind:
– das Kloster Arnsburg aufgrund ihres Ackerland, ihren Wiesen, der Mönchmühle und ihres Anteils am Fruchtzehnten mit ca. 2427 Gulden
– der Geheimrat v. Zwierlein als Besitzer der Neumühle mit 398 Gulden;
– der Landgraf wegen des ihm zustehenden Steuerkapitals mit 279 Gulden – das Hospital zu Grünberg wegen seinen Anteilen am Fruchtzehnten mit 157 Gulden
– die Ganerben des Busecker Tales aufgrund der ihnen zustehenden Gelder und Zehnten mit einer Summe von 3742 Gulden
– die Universität Giessen als Besitzer des Struthwaldes mit 199 Gulden
Die Gemeinde Beuern soll zweimal zahlen.
Zum einen für das Schwalbachische Wohnhaus, Mühl, Guht, und kleinem Güthgen eine Summe in Höhe von ca. 2093 Gulden und zum anderen als Gemeinde. Hier wird sie nach dem Contributablen bäuerlichen Steuersoll in Höhe von 15309 Gulden zur Kasse gebeten.
Damit hat die Gemeinde Beuern den deutlich größten Teil der Kosten zu tragen.
Der oben angeführten Abrechnungsliste können wir entnehmen, an wen die Beuerner Bürger Steuern zahlen mussten. Der Zehnte war eine gängige Form der Besteuerung. Darunter versteht man, wie der Name schon andeutet, den Zehnten Teil der Einnahmen. Dieser Teil wurde als Steuer abgeführt. In der angeführten Liste ist der Fruchtzehnte erwähnt. Er konnte in Feld- und Baumfrüchten unterschieden sein, konnte aber auch der Zehnte aller Landwirtschaftlichen Erträge sein.
In Beuern waren anteilig an diesem Fruchtzehnten das Kloster Arnsburg, das Grünberger Hospital und die Ganerben des Busecker Tales beteiligt.
Woher kamen diese Eigentumsverhältnisse?
Bei dem Grünberger Hospital handelt es sich um das ehemalige Augustinerinnenkloster, das nach der Säkularisation vom Landgrafen in ein Hospital umgewandelt wurde. Die Anteile am Zehnten stammen noch aus der Zeit als das Hospital ein Kloster war. Mit der Abtretung von Land und Einkünften hat man sich beim Kloster unter anderem Fürbitten für sein Seelenheil erkauft.
Die Universität kam auf demselben Weg zu ihrem Besitz. Der Landgrafen stattete sie Grundeigentum aus. Auch dieses Eigentum stammte aus Klosterbesitz. Er hatte es, nach Auflösung der Klöster, eingezogen. Die Einnahmen aus den Besitzungen sollten die Universitäten finanzieren. In Beuern war es, Ende des 18. Jahrhunderts nur noch der Struthwald. Früher gehörte auch die „Universitätsmühle“, die heutige Krebsmühle dazu.
Ganerben und Landgraf waren die Lehnsherren im Busecker Tal. Ihnen war die Bevölkerung Untertan und zu Abgaben verpflichtet. Die rechtlichen Verhältnisse zwischen beiden Herrschaften und der Bevölkerung sind äußerst komplex und können hier nicht weiter erörtert werden.
Der Herr von Zwierlein hat die Neumühle gekauft und so Eingang in die Liste gefunden.
Den Schwalbachischen Hof hatte die Gemeinde Beuern gekauft.
Quellen:
HStAD = Hessisches Staatsarchiv Darmstadt
HStAD Signatur C 4 Nr. 45/1
HStAD Signatur C 4 Nr. 45/11
HStAD Signatur E 12 Nr. 56/5
HStAD Signatur E 12 Nr. 56/6
HStAD Signatur G 26 A Nr. 479/37
HStAD Signatur G 31 C Nr. 28/2
HStAD Signatur G 31 C Nr. 28/6
Kirchenbuch Beuern
Literatur:
800 Jahre Beuern: Zwischen Strutwald und Rotem Holzberg; Beuern 2005
Eckhardt Franz (Hrg), Die Chronik Hessens; Dortmund 1991
Konrad Fuchs u. Heribert Raab: Wörterbuch Geschichte; München 2001
Gießener Intelligenzblatt
Gießener Wochenblatt
Günter Hans: Buseck Seine Dörfer und Burgen; Buseck 1986
Kriegsgeschichte der Stadt und Vestung Giessen und deren umliegenden Gegenden vom 7ten July bis zum 19ten September 1796 von einem Augenzeugen; Giessen 1796
Wolfgang Meyer: Stadt und Festung Gießen in der Franzosenzeit 1796/1797; Gießen 1918
Hanno Müller u. Philipp Lindenstruth: Familienbuch Beuern; Beuern 1998
- 1Erstdruck: 800 Jahre Beuern, S. 17-42 – hier gekürzt