Die Familie des Michael Güngerich 1Müller: FB GBu Nr. 1860 gehörte der Glaubensrichtung der Mennoniten an. Der aus Hünighausen 2lt. LAGIS heute wüst bei Arolsen/Waldeck stammende Güngerich war Pächter des zum Großen-Busecker Schloss gehörenden Hofgutes und des Schlossgartens.
Nach eigenen Angaben hielt sich Michael Güngerich seit dem Jahr 1800 im Großherzogtum Hessen (bis 1806 Landgrafschaft Hessen-Darmstadt) auf. Seine Eltern zogen mit den Kindern um 1800 nach Mittelhessen. Den Vater finden wir später auf dem Nieder-Albacher Hof bei Lich, Geschwister in Winnerod und Bubenrod.
Michael heiratete Elise Holly, ebenfalls aus einer bekannten mennonitischen Familie. Nach der Hochzeit war Michael „Administrator des dortigen Gräflich Degenfeld-Schomburgischen Oberburg-Gutes für die Erben des zu Langsdorf verstorbenen Pächters Daniel Holly“ 3Sterbeeintrag der Barbara Holly, seiner Schwägerin, vom 13. März 1824 in Bellersheim. in Bellersheim, heute Hungen.
Seit 1825 lebte Michael Güngerich mit seiner Familie in Großen-Buseck. 4GemA Buseck GB 1 Nr. 949

(c) GemA Buseck

Giesser Anzeigungs-Blatt für das Jahr 1825, Nummer 2 vom 8. Januar, Seite 7
Michael Güngerich soll am 2. August 1796 in Hünighausen bei Arolsen/Waldeck geboren sein 5Laut Sterbeeintrag in Großen-Buseck; Kirchenbücher zu der nicht mehr existierenden Ortschaft Hünighausen konnten bisher nicht gefunden werden.. Er starb am 29. März 1866 in Großen-Buseck.
In Großen-Buseck war Güngerich ab 1825 Pächter auf dem von Zwierleinschen, später von Nordeck zur Rabenauischen Gut in Großen-Buseck. Das ist der, zum Schloss in Großen-Buseck gehörige Gutshof (heute der Bauhof der Gemeinde Buseck).
Zu einem nicht bekannten Datum heiratet er Elise Holly. Sie soll am 15. März 1800 in Langsdorf geboren sein 6Im Kirchenbuch Langsdorf ist die Geburt nicht verzeichnet. und starb am 23. Juli 1839 in Großen-Buseck.
Michael Güngerich kam als junger Knabe in die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Er berichtet später, hier seit dem Jahr 1800 zu leben. 7GemA Buseck Nr. 949 Wahrscheinlich lebte er mit seinen Eltern Jakob Güngerich zumindest von 1811 bis 1817 (Tod des Vaters) auf dem Albacher Hof bei Lich 8HStAD E 5 B Nr. 1402
Die ältesten beiden Kinder des Ehepaares Güngerich sind in Bellersheim 9heute Ortsteil von Hungen geboren.
Auf die Anzeige im Januar 1825 10Giesser Anzeigungs-Blatt für das Jahr 1825, Nummer 2 vom 8. Januar, Seite 7 bewarb er sich als Pächter des Hofgutes in Großen-Buseck und wurde als Pächter angenommen. 11Im März 1825 Geburt des Sohnes Christian. Eingetragen im KB Großen-Buseck. Dieses Jahr nennt er bei den Verhandlungen zur Aufnahme als Ortsbürger selber als Ankunftsjahr in Großen-Buseck. 12GemA Buseck Nr. 949; Michael Güngerich wird schon 1813 als „vom Zwierleinschen Gut in Großen-Buseck“ im FB Winnerod Nr. 848 erwähnt. Köhler schreibt S. 8, das Mennoniten erst nach einer Anweisung des hohen Kirchen- und Schulrath zu Gießen vom 28. August 1828 in die Kirchenbücher von Winnerod ein- und nachgetragen wurden. Sollte der Eintrag von 1813 ebenfalls ein Nachtrag sein, hat der Pfarrer wohl die aktuelle Tätigkeit und Wohnort von Michael Gngerich eingetragen.
Michael Güngerich wurden in Großen-Buseck sieben seiner neun Kinder geboren. Zwei Kinder verstarben in Großen-Buseck. Seine jüngsten, 1836 geborenen, Kinder waren Zwillingssöhne. Beide übernahmen das Amt des Rabenauischen Pächter nach dem Tod des Vaters.
Die Familie war angesehen, unauffällig und in die Dorfgemeinschaft integriert. Ende der 1850er Jahre möchte Michael Güngerich Ortsbürger werden. 13Alles GemA Buseck GB 1 Nr. 949 Schon fast 30 Jahre im Ort, gut situiert, sollte es eine Formalität sein – und endete fast in seiner Abschiebung durch die Polizei. Nach diesen vielen Jahren wurde ihm gezeigt, dass er eben nicht dazu gehörte. Ein Ausländer aus dem Waldeckischen ist er. Seine Heimatberechtigung im Geburtsort, soll aufgegeben werden bevor man ihn in Großen-Buseck, im Großherzogtum Hessen, aufnimmt. Eine Situation die schon fast modern anmutet.
Güngerich hat keine keine Papiere, kein Nachweis seiner Heimatberechtigung im Waldeckischen. Mennoniten wurden zur Zeit seiner Geburt nicht in den Kirchenbüchern der großen Religionen erfasst. Es gab keinen Nachweis über seine Geburt. Oft schon hatte er Briefe an seine Heimatgemeinde geschrieben. Doch ohne Geburtsnachweis wollten sie ihn nicht entlassen – ohne Entlassung sollte er in Großen-Buseck nicht Ortsbürger werden. Das Kreisamt in Gießen ordnete seine Verweisung aus Großen-Buseck an. Sollte er den Ort nicht freiwillig verlassen, müsse er mit der Polizei in seine alte Heimat verbracht werden (Schreiben des Kreisamtes Gießen vom 7. Januar 1859). Man setzte Güngerich eine letzte Frist von 14 Tagen.
Der Bürgermeister von Großen-Buseck befragt Güngerich und gibt selbst ein Leumundszeugnis für ihn ab:
Michael Güngerich, gebürtig in Hünighausen im Fürstenthum Waldeck, welcher sich schon seit dem Jahr 1800 im Großherzogthum Hessen und seit dem Jahr 1825, also seit 36 Jahre, in der Gemeinde Großen-Buseck aufhalte, habe um Aufnahme als Ortsbürger in Großen-Buseck nachgesucht.
Nach Verfügung großherzoglicher Kreisamtes vom 7. März 1859 zu No 1668 läßt der Umstand, dass die Söhne des Rubricaten ohne Weiteres als Militärpflichtige des Großherzogthums behandelt, und also der Ortsvorstand in Großen-Buseck deren Heimatrecht anerkannt hat, auch ein Bruder des Rubricaten kurzer Hand in das Ortsbürgerregister zu Lich eingetragen worden ist, annehmen, daß wegen Ertheilung des Judignats an diese Familie schon Verhandlungen stattgefunden haben; bezügliche Acten ließen sich jedoch nicht auffinden.
Bekanntlich sei Rubricat ein so achtbarer Charakter, seine ganze Familie eine so ehrbare, daß die Gemeinde Großen-Buseck in der That, ihn zu besitzen, stolz sein darf, und wirklich nach seiner, des Bürgermeisters, Ansicht, sei namentlich in Hinsicht auf die lange Zeit, welche Herr Güngerich schon der Gemeinde Großen-Buseck angehöre; in Hinsicht auch dessen und seiner Familie stets beachtete, in vollem Sinn des Worts, honerte Verhalten, und ferner in Hinsicht auf die Wohlthaten, welche die Familie Güngerich während ihres 36 jährigen hierseyns den Kranken und Bedürftigen erzeigt haben, es an seinem Platze, die Rubricaten honoris-causa das Ortsbürgerrecht dahier zu verleihen.
Der Gemeinderath genehmigte hier auch mit Vergnügen die Aufnahme glaubt jedoch der Consequenz wegen von Entrichtung des Vorgeschrieben Einzugsgeldes nicht absehen zu können. Unterschrieben wurde der Brief im Jahre 1861 von Bürgermeister Müller und acht Gemeindevertretern.
Den Ausschlag zur Aufnahmegenehmigung als Ortsbürger gab wohl die Bereitschaft der Söhne zur Militärpflicht – nicht zu Vergessen: Mennoniten sind Pazifisten – Michael Güngerich erhielt die Genehmigung und wurde „angeblich“ in das Ortsbürgerregister eingetragen. Das Kreisamt entschied zu dem: er hat kein Einzugsgeld zu zahlen, nachdem er schon solange im Ort lebt und nun im Register eingetragen ist.
Allerdings lässt sich im vorhandenen Ortsbürgerregister 14GemA Buseck GB 1 Nr. 609 im Gemeindearchiv Buseck kein Eintrag für Michael Güngerich finden. Der Sohn Rudolph wurde mit seiner Heirat 1873 ins Ortsbürgerregister von Großen-Buseck aufgenommen 15GemA Buseck GB 1 Nr. 609; Eintrag auf Seite 66. Der ledige Sohn Joseph ist unter dem Datum 30.12.1878 16GemA Buseck GB 1 Nr. 609; Eintrag auf Seite 70 als Pächter im Ortsbürgerregister eingetragen.
Michael Güngerich lebte mit seiner Familie über 40 Jahre in Großen-Buseck. Als er starb übernehmen seine jüngsten Söhne, die Zwillinge Rudolph und Joseph den bestehenden Pachtvertrag. Den Eigentümern von Schloss und Gutshof erschien es nicht nötig, für die Übernahme/Fortführung des Pachtbetriebes durch die Zwillingssöhne einen eigenen Pachtvertrag auszufertigen. Zu dieser Zeit lebten zudem noch ledige Schwestern der Zwillinge auf dem Hof. Auch die Zwillinge, nun Pächter des Hofgutes, waren noch unverheiratet.
Beide Brüder waren im Ortsgeschehen gut integriert. Joseph gehörte, so seine Nennung in der Festschrift von 1913, zu den Gründungsmitgliedern des Gesangvereins Germania im Jahr 1863. Sein Bruder Rudolph war der erste Präsident des Gesangvereines und organisierte im Jahr 1864 dessen Fahnenweihe. Ein Fest mit Musik, Tanz und Ausschank.
Rudolph heiratete im Jahr 1873 Katharina Jüngerich aus Altenburg/Wetzlar. In Großen-Buseck wurden ihnen zwei Kinder geboren. Das dritte Kind wird 1881 bereits in Gießen geboren. Obwohl Rudolph in den Abrechnungen der Pacht weiterhin zusammen mit seinem Bruder Joseph als Pächter genannt wird, lebt er seit 1879 mit seiner Familie in Gießen. Ob das Zusammenleben mit den unverheirateten Geschwistern für das junge Ehepaar im Pächterhaus nicht funktionierte? Wir wissen es nicht. Rudolph lebte in Gießen in einem neu erbauten Haus in der Frankfurter Str. 63. Das Haus steht heute nicht mehr. Es war ursprünglich im Besitz des Rudolph, später seines Bruders Joseph. Im Jahr 1889 wird der Pachtvertrag der Brüder für den Gutshof in Großen-Buseck mit dem Freiherrn v. Nordeck zur Rabenau einvernehmlich aufgehoben . Er hätte noch bis 1890 laufen sollen. Ferdinand v. Nordeck zur Rabenau, der damalige Eigentümer von Schloss und Gutshof, hatte einen neuen Pächter an der Hand, Paul Passavant aus Frankfurt, und bat die Brüder um vorzeitigen Ausstieg aus dem Vertrag. Dem stimmten die Brüder zu. Joseph und die unverheirateten Schwestern zogen nun nach Gießen in die Frankfurter Str. 63 – und Rudolph mit seiner Familie wurde im selben Jahr Pächter auf dem Heibertshäuser Hof in Daubringen. Er verließ demnach Gießen just in dem Moment in dem die Verwandschaft in das von ihm bewohnte Haus in Gießen einzog. Rudolph verstarb 1897 in Daubringen als Gutspächter. Joseph heiratete 1891 in Gießen, und blieb mit Frau und Kind ebenfalls nicht im selben Hause wie seine ledigen Schwestern wohnen. Er verstarb nach Familienaufzeichnungen 1917 in Gießen.
Überarbeiteter Nachdruck aus Busecker Geschichtsbrief 1/2025
Quellen:
HStAD = Hessisches Staatsarchiv Darmstadt
GemA Buseck = Gemeindearchiv Buseck
KB Großen-Buseck = Kirchenbuch Großen-Buseck
Literatur:
Giesser Anzeigungs-Blatt für das Jahr 1825
Gustav Ernst Köhler: Die Mennoniten der Freiherren von Zwierlein. Die Taufgesinnten von Winnerod und Bersrod. Schriftenreihe der Heimatgeschichtlichen Vereinigung Reiskirchen e. V. Nr. 31, Reiskirchen 2001
Hanno Müller: Familienbuch Winnerod Bersrod; Fernwald-Steinbach 1991/1998/2002
Hanno Müller: Großen-Busecker Familienbuch; Fernwald-Steinbach 1993
Georg Wilhelm Justin Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen. Band 3 Provinz Oberhessen; Darmstadt 1830
„Hünighausen, Landkreis Waldeck-Frankenberg“, in: Historisches Ortslexikon https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/15183 (Stand: 9.2.2018)
- 1Müller: FB GBu Nr. 1860
- 2lt. LAGIS heute wüst
- 3Sterbeeintrag der Barbara Holly, seiner Schwägerin, vom 13. März 1824 in Bellersheim.
- 4GemA Buseck GB 1 Nr. 949
- 5Laut Sterbeeintrag in Großen-Buseck; Kirchenbücher zu der nicht mehr existierenden Ortschaft Hünighausen konnten bisher nicht gefunden werden.
- 6Im Kirchenbuch Langsdorf ist die Geburt nicht verzeichnet.
- 7GemA Buseck Nr. 949
- 8HStAD E 5 B Nr. 1402
- 9heute Ortsteil von Hungen
- 10Giesser Anzeigungs-Blatt für das Jahr 1825, Nummer 2 vom 8. Januar, Seite 7
- 11Im März 1825 Geburt des Sohnes Christian. Eingetragen im KB Großen-Buseck.
- 12GemA Buseck Nr. 949; Michael Güngerich wird schon 1813 als „vom Zwierleinschen Gut in Großen-Buseck“ im FB Winnerod Nr. 848 erwähnt. Köhler schreibt S. 8, das Mennoniten erst nach einer Anweisung des hohen Kirchen- und Schulrath zu Gießen vom 28. August 1828 in die Kirchenbücher von Winnerod ein- und nachgetragen wurden. Sollte der Eintrag von 1813 ebenfalls ein Nachtrag sein, hat der Pfarrer wohl die aktuelle Tätigkeit und Wohnort von Michael Gngerich eingetragen.
- 13Alles GemA Buseck GB 1 Nr. 949
- 14GemA Buseck GB 1 Nr. 609
- 15GemA Buseck GB 1 Nr. 609; Eintrag auf Seite 66
- 16GemA Buseck GB 1 Nr. 609; Eintrag auf Seite 70