Die Wüstung Amelungshausen im Bußecker Tal

von cand. hist. Wilhelm Lindenstruth in Beuern
Nachdruck aus Quartalbl. des Hist. Vereins f. Hessen, NF 4 / 1910 Seite 382-384

Das Dekanatsregister des Mainzer Archidiakonates S. Stephan aus dem 15. Jahrhundert verzeichnet unter den Pfarrdörfern, welche der Sedes in Bußeck unterstanden,  A m e l u n g s h u s e n.1 W ü r d t w e i n , Diöcesis Mogunt. III. p. 286

Da nur diese eine Nennung des Ortes bekannt war, war es schwer, seine Lage zu bestimmen. Die in einer gedruckten Nachricht ausgesprochene Behauptung, daß er in dem Hof Friedelhausen bei Staufenberg zu suchen sei, hat bereits Wagner 2Wüstungen, Oberhessen, S. 178 abgewiesen. Auch die Annahme Krafts 3Geschichte von Gießen (1876), S. 304, das verschollene Amelungshausen sei identisch mit dem auf der Grenze zwischen Beuern und Allertshausen einst gelegenen  A m m e n h a u s e n 4S.  W a g n e r, Wüstungen, Oberhessen, S. 75 war, auch schon aus sprachlichen Gründen, trotz einer gewissen Ähnlichkeit der Namen, wenig glaubhaft. Ammenhausen gehörte zum Gericht und zum Kirchengebiet von Londorf, Amelungshausen dagegen zum  B u ß e c k e r  T a l.

Eine wertvolle Angabe über den Ort findet sich in einer ungedruckten Pergamenthandschrift in der Gießener Universitätsbibliothek „Register uber den Arnspurger kauff“ (Nr. 457m, fol.). Dort heißt es auf Blatt 15, 2. Seite unter  B u e r n (Beuern): „Idem drithalp turnisz unnde eyne fastnacht hone de bonis in  A m e l i n g s h u s e n“  und kurz danach „Item eyne wiese unde acker ane eyneander in dem dorff  A m e l i n g s h u s e n“. 5Vorlage verschrieben „Amelinsghusen“. Unter  B u c h s e g k (Großen-Buseck) kommt einige Male (Bl. 14, 2. S.) die Feldbezeichnung „ober“ oder „under dem  A m e l u n g s h u s e r  w e g e“ vor.

Wir können hieraus sogleich abnehmen, daß Amelungshausen zwischen den Gemarkungen von  G r o ß e n – B u ß e c k  und  B e u e r n  gesucht werden muß.

Das genannte Register in ohne Zeitangabe. Es wurde aufgestellt, als das Kloster Arnsburg wegen einer großen Geldschuld dem Antoniterhaus zu Grünberg seine Güter in den Gebieten von Grünberg,  B u ß e c k e r  T a l,  Hüttenberg und sonst im Fürstentum Hessen verkaufen mußte, infolge eines 1489 zwischen beiden Klöstern aufgerichteten Vertrages. 6Landgraf Wilhelm III. von Hessen aufgerichtete Vergleich ist gedruckt in (K o c h, Chr. L.) Beurkundete Nachricht von dem Teutsch Ordens Haus … Schiffenberg (1755), Beyl. S. 29. Nr. 179. Es gehört zu einem Notariatsinstrument mit der Aufschrift „Registrum censuum a monasterio Arnsburgensi emptorum, de anno 1491“ (ebenfalls in der Univ.-Bibl.). – Damit ist jedoch noch nicht gesagt, daß Amelungshausen als Dorf um 1490 noch bestand. Denn bei der Aufzeichnung stützte man sich wohl auf frühere Urkunden oder Listen. – In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wird der Ort ausgegangen sein. In der Angabe des erwähnten Dekanatsregisters, daß Amelungshausen sechs Mesten zu liefern hatte, haben wir eine relative Angabe über seine damalige Größe. Es war unter den am wenigsten entrichtenden Orten des Bußecker Kirchengebietes. – B e i  d e r  A u f z ä h l u n g  d e r  O r t e  d e s  B u ß e c k e r  T a l e s  v o n  1 5 0 8 7Memoriale an die .. Reichsversamblung … in Sachen … Busecker Thal … wider … Hessen  (Gießen 1707), Beylagen S. 238 f e h l t  e s.  – Es ist wohl kein Zweifel daß ein früher vorkommendes Amelungshausen mit unserem identisch ist. In einer Urkunde von 1371 wird ein  J o h a n  v o n 
A m e l u n g e s h u s e n als Knecht des Eckhard v. Elkerhausen genannt. Er und zwei andere Knechte seines Herrn haben dem Ritter Friedrich Greifenklau v. Folrads seinen Hengst und sein Schwert „anegewonnen“ und ihn gefangen, indem sie sich für Freunde und des Herrn v. Eppenstein Diener ausgegeben hätten, wie der Ritter Greifenklau angab, der wegen dieser Beleidigung den v. Elkerhausen zum Zweikampf herausforderte. 8Hessisches  U r k u n d e n b u c h,  2. Abteilung (Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau v. Heinrich  R e i m e r), 3. Band., Nr. 631, S. 739 ff. [= Publikationen aus den Kgl. preuß. Staatsarchiven, 60. Bd.]

In den „Giessischen wöchentlichen gemeinnützigen Anzeigen und Nachrichten“ von  1 7 7 0, S. 119 liest man folgende Bekanntmachung: „Demnach der ehemahlige von Münchische [v. Bußeck gen. Münch] nachhero von Rabenauische so genannte  O m e l s h ä u s e r  Frucht- und Heu-Zehenden zu  G r o s e n b u s e c k  an den Meistbiethenden verstrichen 9= versteigert (noch heute im hiesigen Dialekt so gebraucht.) werden soll usw.“

Ich halte es für so gut wie sicher, daß das hier vorliegende  O m e l s h a u s e n  die spätere verkürzte Form für Amelungs-, Amelingshusen ist.

Der Ort ist benannt nach Amelung, wohl seinem Gründer (Amelungshausen = zu den Häusern des Amelung).

An das ausgegangene Dorf besteht heute weder in der Volksüberlieferung noch in Gemarkungsbennungen eine Erinnerung, wie ich mich durch Anfragen bei alten Leuten in Großen-Buseck und Beuern überzeugt habe. Eine genauere Bestimmung der Lage war mir deshalb, wenn überhaupt, noch nicht möglich.


Quellen:
UniA GI = Universitätsarchiv Gießen

Literatur:
Giessischen wöchentlichen gemeinnützigen Anzeigen und Nachrichten
Chr. L. Koch: Beurkundete Nachricht von d. Teutsch-Ordens-Haus u. Commende Schiffenberg. Giesen 1752
Friedrich Kraft: Geschichte von Gießen und Umgegend von der ältesten Zeit bis zum Jahr 1265. Gießen 1876
von der Malsburg: Memoriale an die hochlöb. allgemeine Reichsversammlung zu Regenspurg mit beygefügter Specie Facti und … Deduction vieler … nullitäten … einer bei dem … Reichshofrath in Sachen der Unterthanen und Eingesessenen des Busecker Thals … wider … Ernst Ludwigen Landgrafen zu Hessen … beschlossenen Urtheil von der … Hessischen Gesandschaft übergeben; Gießen 1707
Heinrich Reimer: Hessisches Urkundenbuch,  2. Abteilung (Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau) 3. Band. Leipzig 1894
Georg Wilhelm Justin Wagner: Die Wüstungen im Großherzogtum Hessen. 1: Provinz Oberhessen. Darmstadt 1854
Stephani Alexandri Würdtwein: Dioecesis Moguntina in Archidiaconatus Distincta Et Commentationibus Diplomaticis Illustrata. Tomus III. Mannheim 1777


  • 1
     W ü r d t w e i n , Diöcesis Mogunt. III. p. 286
  • 2
    Wüstungen, Oberhessen, S. 178
  • 3
    Geschichte von Gießen (1876), S. 304
  • 4
    S.  W a g n e r, Wüstungen, Oberhessen, S. 75
  • 5
    Vorlage verschrieben „Amelinsghusen“.
  • 6
    Landgraf Wilhelm III. von Hessen aufgerichtete Vergleich ist gedruckt in (K o c h, Chr. L.) Beurkundete Nachricht von dem Teutsch Ordens Haus … Schiffenberg (1755), Beyl. S. 29. Nr. 179.
  • 7
    Memoriale an die .. Reichsversamblung … in Sachen … Busecker Thal … wider … Hessen  (Gießen 1707), Beylagen S. 238
  • 8
    Hessisches  U r k u n d e n b u c h,  2. Abteilung (Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau v. Heinrich  R e i m e r), 3. Band., Nr. 631, S. 739 ff. [= Publikationen aus den Kgl. preuß. Staatsarchiven, 60. Bd.]
  • 9
    = versteigert (noch heute im hiesigen Dialekt so gebraucht.)
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